Hamburger Abendblatt / Harburg 17.02.2011
Deichtorhallen Hamburg / Sammlung Falckenberg
Alexandre Dumas in Bilder umgesetzt
63 zeitgenössische Künstler stellen in der Sammlung Falckenberg zum Roman "Kapitän Pamphile" aus

Stefanie Maeck

Markus Selg hat diese digital komponierte Leinwand gestaltet mit dem Titel "Traum der Sarazenin". Eine von 63 Interpretationen.

Foto: Stefanie Maeck


Seine Sprache hatte Reiz. Verfügte genau über jene besondere Schwebe, die eine Erzählung nicht mit zu viel Details überfrachtet, die aber alles sagt, um eine möglichst lebendige Szenerie vor das Auge des Lesers zu stellen. Insofern war sie filmisch oder bühnenhaft theatral. Und sie gehorchte ökonomischen Prinzipien. Wahrscheinlich hätte ihm der überbordende Bildkosmos gefallen, der nun in die Sammlung Falckenberg als Illustration seines Abenteuerromans "Capitaine Pamphile" Einzug erhalten hat. Die Rede ist von dem Romancier Alexandre Dumas père, einem ausgewiesenen Schnellschreiber, der das Massenpublikum des 19. Jahrhunderts mit historischen und fantastischen Erzählungen bei Laune hielt - ein literarischer Fließbandarbeiter.
Ähnlich gewitzt und farbenfroh, voller böser Stichelei und unkontrollierter Völlerei (auf einer Kaukasusreise soll er 26 Flaschen Wein an einem Abend geleert haben) wie der Bonvivant Dumas ist auch sein Roman, in dessen Zentrum der rein von ökonomischer Vernunft geleitete Piratenkapitän Pamphile und seine Streifzüge auf den Weltmeeren stehen. Bereits die Romanexposition wartet mit Kuriosem auf, da rettet der Erzähler eine Schildkröte glorreich vor der Schildkrötensuppe und erfährt im folgenden Dialog, dass es das letzte Mahl eines Selbstmörders werden sollte. "Meine Menschlichkeit gegenüber einem Tier war zu einer Unmenschlichkeit gegenüber einem Menschen geworden" bilanziert der Erzähler (eingefangen von Ariane Müller in einem Selbstmöder-Bild mit Pistole an der Schläfe). Genau so schrieb Dumas: leuchtend bunt, kurios, mit dem Duft des Lebens getränkt, voller gewitzter Weisheiten und obendrein mit den besten Dialogen ausgestattet, die man unter Romantikern finden kann.

Doch "ökonomische Vernunft" ist wohl viel zu vornehm ausgedrückt. Pirat Pamphile kapert auf seinem Zweimaster Roxelane einfach alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Dumas bunter Abenteuerroman voller Kuriositäten ist dabei vieles zugleich: ein wohl komponiertes Unterhaltungswerk, ein Zeugnis der von Eskapismus, Exotismus-Sehnsucht und Faszination vor dem Fremden getriebenen Romantik (exotische Tiere, ferne Länder), deren Kind Dumas ist. Doch zugleich ist Dumas auch eine Allegorie auf den heranwachsenden ökonomischen und einzig an der eigenen Bereicherung orientiertem Menschentypus gelungen, der für die heutigen Probleme nicht ohne Reflexionsniveau zu sein scheint.

Den 63 internationalen Künstlern, die Szenen und Kapitel des Romans in der "Pamphile Show" interpretieren, hat Dumas damit einen Bedeutungsreichtum ausgebreitet, der das Ausziehen von Bedeutungslinien nur zu einladend vor die Nase stellt. Die malerische Antwort fällt dann auch stilistisch reichhaltig aus. Neben den Bildern sind zum Teil Textfragmente aus dem Roman an die Wand gebracht, die mit den Bildern dialogisieren.

Auf eine glückliche Weise fächert die Repräsentation dabei auf, was in der literaturgeschichtlich reichen Epoche des 19. Jahrhunderts angelegt war: Einerseits die Sehnsucht nach Exotismus. Andererseits aber auch ein imperialistischer und kolonialistischer Hang, das Fremde einzuverleiben. Diese aggressive Spannung scheint der Berliner Maler Lutz Braun mit einer barbrüstigen Dämonin mit geschwungenen Messer samt lauernden Wölfen im Hintergrund und in düster leuchtenden Farben auf geniale Weise einzufangen. In dialogisierender Nachbarschaft dazu ein wild umrankter tropischer Urwald von Kollege Piotr Nathan, über dem ein grüner Körper wie in einem Absinthtraum schwebt. Der Künstler Markus Selg wiederum zeigt eine apokalyptisch versunkene Sphinxfigur auf einer digital bearbeiteten Leinwand mit Titel "Traum der Sarazenin". Man denkt an Schamanismus und okkulte Welten. Markus Vater wiederum überrascht im Souterrain mit einer neblig romantisierten Kutschfahrt, auch ein Topos der literarischen Romantik, und die "3 Hamburger Frauen" arbeiten mit einem großen Wandbild fleißig an der literarischen Legendenbildung eines geschlechtlich entblößten Kapitäns. Daneben trifft man immer wieder auf zoologische Kuriositäten - Affen, Schildkröten, Papageien, die im Roman nicht selten übel zu Tode kommen und den Künstlern reiches Material liefern.

Die Kuratoren Gunter Reski und Marcus Weber überführten das Manuskript aus dem Jahr 1839 zunächst in ein Storyboard, das die fünf Haupterzählstränge des Dumas-Romans bündelte und schickten dieses dann mit konkreten Vorschlägen an die Künstler. Gewissermaßen als moderne Auftragsarbeit. "Narrative Malerei auch noch in ein narratives Ausstellungskorsett einzubinden, erschien uns nur konsequent", so Marcus Weber.

Nicht zuletzt schien den Kuratoren der Roman aber auch geeignet, so etwas wie das ökonomische Gesetz des Kunstmarktes zu spiegeln. Als Parabel auf einen Markt, der von kapitalistischen Spekulationen und Lüsten getrieben wird. Die Nähe zum dreisten Kapitän Pamphile und seinem niemals zu sättigendem Aneignungsschema liegt auf der Hand.

In den Hallen der Falckenberg Sammlung, rundet sich die Gruppenschau zum Gesamtkunstwerk. Autorschaft verblasst und ein Werk gleitet dialogisch zum nächsten unter rund 100 gezeigten Exponaten. Und das passt zu Alexandre Dumas Sprache: Überbordend im Ausdruck, mit grandiosen Superlativen und kühnen Metaphern, die den Leser schon mal unterhaltsam täuschten und in den Lesesog zogen - hier wird es einfach ein Schausog. Fest steht: Die spektakuläre Lebens- und Fabulierlust des Alexandre Dumas wird mit der Gruppenschau eingefangen: Eine Ästhetik der schnellen Reize ist gehängt, mit der man etwas von Dumas schillernder Genialität und Produktivität einholt.

Die "Pamphile-Show" bildet den Auftakt der Kooperation zwischen den Deichtorhallen und der Sammlung Falckenberg. Ausstellung ab 19. Februar bis 10. April. Öffnungszeiten nach Absprache. Rundgänge mittwochs um 18, sonnabends um 15 und sonntags um 12 und 14 Uhr statt. (Anmeldung erforderlich unter besuch@sammlung-falckenberg.de ) Wilstorfer Straße 71, Tor 2.